Ein Leben im Einsatz für kranke und hilfsbedürftige Menschen
Mit der aus Osttirol stammenden Missionsärztlichen Schwester Erna Stocker-Waldhuber ist nun die einzige Österreicherin in dem von der Tiroler Ärztin Anna Dengel gegründeten Orden gestorben
Aufgewachsen ist sie mit acht jüngeren Geschwistern in Thal-Assling in Osttirol. Im Alter von 24 Jahren besuchte sie 1957 die Krankenpflegeschule in Innsbruck und hörte dort das erste Mal von der großen Tiroler Ärztin, Sozialpionierin und Ordensgründerin Anna Dengel (1892 - 1980). Ein für den weiteren Lebensweg der jungen Frau entscheidendes Wissen – vom Wunsch beseelt, sich für Benachteiligte, Arme und Kranke einzusetzen, folgte Erna Stocker-Waldhuber ihrem inneren Ruf und trat 1961 in Gelsenkirchen in Deutschland der Gemeinschaft der Missionsärztlichen Schwestern bei.
Nach einem langen und bewegten Berufsleben – das sie unter anderem viele Jahre in Afrika verbringen ließ – arbeitete Schwestern Erna jahrzehntelang in der Gemeindekrankenpflege im deutschen Essen. Dort ist die einzige Österreicherin im Orden der einst von der Außerfernerin Anna Dengel gegründeten Missionsärztlichen Schwestern am 11. Jänner 2024 im 91. Lebensjahr gestorben.
Attat-Spital mit aufgebaut
„Meinen Osttiroler Dialekt habe ich nicht verlernt“, erzählte Sr. Erna vor einigen Jahren lachend bei einem Interview, das sie vor einigen Jahren mit Mitgliedern des Vereins „Freunde Anna Dengel“ geführt hatte. Die Freunde Anna Dengel – gegründet vom Außerferner Reinhard Heiserer – setzen sich seit 12 Jahren dafür ein, Leben und Werk der großen Tirolerin Anna Dengel vor allem in ihrer Heimat wieder stärker in Erinnerung zu rufen. Zugleich werden Projekte der Missionsärztlichen Schwestern (MMS, Medical Mission Sisters) weltweit finanziell unterstützt.
Wie zum Beispiel das Krankenhaus Attat in Äthiopien. Das letzte Spital, dessen Gründung Anna Dengel im Jahr 1967 noch selbst veranlasst hatte und an dessen Aufbau Sr. Erna maßgeblich beteiligt war. „Wir haben damals mit nur ein paar Matratzen als Ausstattung in einem alten Schulgebäude, umgeben von einem großen Acker, begonnen“, erinnerte sich Sr. Erna, die vor ihrem „Äthiopienabenteuer“ in England noch eine Ausbildung zur Hebamme absolviert hatte. In den folgenden 14 Jahren entstand aus der zunächst nicht einmal dem Minimalstandard eines Feldlazaretts entsprechenden, ohne Trink- und Abwasserleitungen oder sanitären Anlagen versehenen Station ein kleines „Dorfspital“. Heute ist das rund 180 Kilometer südwestlich von Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba, in der Guarage Region gelegen Spital Attat für die dort lebenden Menschen ein nicht mehr wegzudenkendes medizinisches Zentrum, in dem etwa täglich rund 300 Ambulanz-Patienten betreut und jährlich weit über 3000 Kinder entbunden werden. Schwester Erna selbst verließ 1981 „schweren Herzens“ Äthiopien, um auf Bitten ihrer Mitschwestern in Essen „für drei Jahre in der Gemeindekrankenpflege auszuhelfen.“ Aus den drei Jahren wurden schließlich über 40.
Eine faszinierende Frau
„Bei meiner 1. Profess im Jahr 1964 bin ich Anna Dengel das erste Mal begegnet, da war ich so aufgeregt, dass ich mich kaum an ihre Worte erinnern kann“, schilderte Sr. Erna. Einige wenige weitere Begegnungen folgten und „ich war immer fasziniert und beeindruckt von dieser so willensstarken Frau, von ihrer Einfachheit und ihrem großen Gottvertrauen.“ Zuletzt pflegte Sr. Erna während eines Heimaturlaubes eine Woche lang die bereits schwer erkrankte Ana Dengel, zwei Jahr vor deren Tod im Jahr 1980.
In den letzten Jahren war Sr. Erna hauptsächlich ordensintern tätig und arbeitete bis zuletzt unter anderem auch ehrenamtlich in verschiedenen Pfarren mit. Nun hat sie ihre letzte Reise angetreten und trifft am Ende möglicherweise wieder auf Anna Dengel.